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VATER UND TOCHTER

Wim und Elke Yland – eine ganz besondere Beziehung, geprägt von der Liebe zum Laster, Fernverkehrsgeschichten und einer gemeinsamen Tour nach Südfrankreich.

Auf dem Hof der Spedition Yland im niederländischen Örtchen Ootmarsum sieht es aus, wie in einem Museum für alles, was vier oder mehr Räder hat: Über ein Dutzend Lkw-Old- und Youngtimer, echte Klassiker aus der Pkw-Geschichte, alte Busse und ausrangierte Feuerwehrfahrzeuge stehen überall auf dem Gelände herum. Jede Menge Ersatz- und Kleinteile, säuberlich in die Regale in den Hallen sortiert, nicht zu vergessen. Eine wahre Schatzkammer für Leute mit einem ähnlichen Faible. „Das verrückte Hobby meines Vaters!“, Elke Yland rollt mit den Augen und lacht.

Wim Yland, Unternehmer, Fernfahrer, Sammler und, allen voran, Vater von Elke, entdeckte schon früh seine Begeisterung für Lkw. „Vermutlich komme ich da nach meinem Großvater, der bereits um 1900 mit seiner Pferdekutsche ein bekannter Spediteur in der Region Overijssel gewesen ist,“ erklärt Wim. „Seinen ersten Lkw erwarb er unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg. Das gute Stück ist aber leider nicht mehr im Familienbesitz, obwohl ich den zu gern hier in der Sammlung hätte.“ Das Diesel-Gen übersprang offensichtlich eine Generation, denn Wims Vater führte statt der Spedition lieber ein Hotel. Für Wim war aber schnell klar, wie seine Zukunft aussehen soll: „Schon als kleiner Junge war ich fast täglich bei einer lokalen Spedition und hatte überall, wo ich durfte, meine Finger drin.“ Putzen, kleine Lackarbeiten oder Reparaturen, das waren seine liebsten Beschäftigungen. Der Lkw-Führerschein und eine Anstellung als Lohnfahrer, alles nur eine Frage der Zeit. Inzwischen ist Wim seit 25 Jahren mit, wie er sagt, „Herz und Nieren“ selbstständig.

„Schließlich war er stets ein großes Vorbild für mich. Seien es seine Reiseerzählungen oder aber das Faible für große Lkw. Als kleines Mädchen gab es nichts Großartigeres für mich.“

Das mit diesem Diesel-Gen, das eine Generation überspringt, schien sich fortzusetzen, denn Tochter Elke entschied sich für eine Ausbildung zur Flugbegleiterin. Mit dem Segen und der vollen Unterstützung ihres Vaters: „Die Entscheidung über die Zukunft meiner Kinder liegt voll in ihren Händen. Ich unterstütze sie. In allem, was sie vorhaben.“ Obwohl die Geschichten, die ihr ihr Vater von seinen Auslandstouren am Wochenende oder bei einem ihrer täglichen Telefonate erzählte, Elke regelmäßig schwer begeisterten, eine Zukunft als Berufskraftfahrerin plante sie nie. „Woran das eigentlich lag, kann ich mir nicht wirklich erklären. Schließlich war er stets ein großes Vorbild für mich. Seien es seine Reiseerzählungen oder aber das Faible für große Lkw. Als kleines Mädchen gab es nichts Großartigeres für mich. Dennoch kam es für mich seltsamerweise nicht in Frage“, erklärt sie und schaut beinahe entschuldigend zu ihrem Vater. Der lächelt nur milde zurück, klopft seine Tochter sachte auf die Schulter und nimmt sie anschließend liebevoll in den Arm. Denn inzwischen hat Elke ihre Ausbildung zur Flugbegleiterin erfolgreich abgeschlossen – und macht jetzt eine Lehre zur Berufskraftfahrerin.

Wie es dazu kam? Ob es wohl an ihrem Freund liegt? Der ist, wie soll es auch anders sein, selbst Lkw-Fahrer und sie lernte ihn, ganz stilecht, auf dem Truckstar-Festival in Assen kennen. Oder ob es eines dieser berühmt berüchtigten Vater-Tochter-Gespräche war, die bei den Beiden gerne Mal etwas ausführlicher ausfallen, auf einer gemeinsamen einwöchigen Tour nach Südfrankreich hat man schließlich viel Zeit zum Reden. Diese Fragen beantwortet Elke nur mit ihrem bezaubernd strahlenden Lächeln. Na, wie auch immer, ihr Anruf bei ihrem Vater jedenfalls, bei dem sie ihm erzählte, dass sie sich bei der Fahrschule angemeldet hat, freute ihn wahnsinnig. „Ich wusste von nichts und war ein wenig überrumpelt. Aber ich bin so unglaublich stolz auf sie!“ Sind das etwa ein paar Freudentränchen, die Wim da gerade gerührt wegblinzelt? „Ich konzentriere mich jetzt erst einmal auf die Ausbildung und möchte danach so viel wie möglich fahren, lernen und erleben“, beschreibt Elke ihre neuen Pläne. Dabei funkelt die Vorfreude in ihren blauen Augen und es wirkt, als würden in dem Moment all die Geschichten, die Wim ihr als kleines Mädchen erzählt haben muss, durch ihren Kopf blitzen. Sich Elke als adrette Stewardess mit Hochsteckfrisur auf einem Kontinentalflug von Amsterdam nach Berlin vorstellen? Sicher auch sehr hübsch – aber, nein, ihr Herz zieht die Ylands ganz einfach auf die Straße.

„Natürlich stichst du mit diesem Beruf als Frau noch etwas heraus und musst dabei sicher auch auf einige Dinge verzichten.“

Doch nicht alle können Elkes Entscheidung, die Straßen Europas mit einem Lkw erkunden zu wollen, nachvollziehen. Speziell einige ihrer männlichen Freunde und Bekannten tun sich schwer und finden, der Beruf sei einfach nichts für Frauen. Doch das irritiert Elke wenig bis gar nicht, sie weiß inzwischen ganz genau, was sie möchte und fühlt sich in solchen Aussagen eher noch in ihrer Entscheidung bestätigt. Außerdem gibt es auch genügend Menschen in ihrem Umfeld, die sie voll und ganz unterstützen. Seien es die Fahrerkollegen vom Vater oder die Mädels aus ihrer Clique, mit der sie am Wochenende gerne die Gegend unsicher macht. „Natürlich stichst du mit diesem Beruf als Frau noch etwas heraus und musst dabei sicher auch auf einige Dinge verzichten. Aber durch den Umweg mit meiner ersten Ausbildung wurde mir erst so richtig bewusst, was mir fehlt und was ich wirklich will“, erzählt sie. Bald mal eine Tour nach Skandinavien zu machen, davon träumt Elke. Ihr Truck dürfte ein DAF sein, wie der erste Laster ihres Vaters. Dass sie in Wim ein Vorbild sieht, ist hier keine Floskel, sondern eine echte und tiefe Verbindung zwischen Vater und Tochter. „Der DAF dann in rosa“, legt sie nach und lacht. Nein, Spaß, rosa muss er natürlich nicht unbedingt sein und die Marke ist auch nicht so wichtig. Hauptsache endlich selbstständig die Straße unter die Räder nehmen.

„Ihr Praktikum macht Elke gerade bei UPS“, erzählt Wim. „Das ist schon ‚ne Nummer. Da hast du über 70, 80 Kunden pro Tag. So viele habe ich vielleicht in einem Jahr.“ Echte Sorgen um seine Tochter in dieser männerdominierten Branche macht er sich allerdings keine. Einerseits sei die Arbeit, wie in vielen Berufen, durch diverse technische Hilfsmittel einfacher geworden, und andererseits würden in Holland und Belgien zunehmend Frauen hinter dem Steuer sitzen. „Sie wird ihren Weg gehen, da bin ich mir sicher. Selbst wenn sie nach zwei bis drei Jahren vielleicht merken sollte, „es ist doch nicht meins“, dann hat sie es wenigstens versucht. Alleine das macht mich schon unendlich stolz.“ Wim strahlt große Zuversicht und Ruhe aus, während er spricht und obwohl er in über zwei Jahrzehnten in der Branche selbst sämtliche Höhen und Tiefen des Jobs mitgemacht hat. „Es ging nicht immer nur bergauf. Wahrlich nicht. Wenn du innerhalb einer Woche knapp dreißig Kunden verlierst, und dies deine vierzig Angestellten und viele deiner Zulieferer den Kragen kostet, dann kommt dir selbstverständlich auch mal das Lächeln abhanden.“ Zum ersten Mal wirkt Wim bedrückt, als er sich an die Beinahe-Insolvenz seiner Firma im Jahr 2009 erinnert. Die Krise kostete ihn nicht nur seine Ersparnisse, auch der Verlust seiner Angestellten, zu denen er ein freundschaftliches Verhältnis pflegt und die er erst letzten Sommer zur Reunion nach Ootmarsum einlud, setzte ihm damals massiv zu. Freunde, treue Kunden und ganz besonders seine Familie halfen ihm damals wieder auf die Beine. „Schön ist was Anderes,“ gibt Wim unumwunden zu und sucht den Blickkontakt zu seiner Tochter, „doch ich wollte vor meinen Kindern nicht als Verlierer dastehen. Das gab mir Kraft und Energie und ich habe noch härter geschuftet um ihnen das Gegenteil zu beweisen.“

„Wenn du den Markt beobachtest und dich nicht dumm anstellst, kannst du als Selbstfahrer sehr gut davon leben. Mehr braucht es für mich nicht.“

Den Wunsch, wieder ein größeres Transportunternehmen mit mehreren Lastzügen zu leiten, verspürt er heute nicht mehr: „Wenn du den Markt beobachtest und dich nicht dumm anstellst, kannst du als Selbstfahrer sehr gut davon leben. Mehr braucht es für mich nicht.“ Seine Tochter nach ihrer Ausbildung anzustellen, kann er daher kategorisch ausschließen. „Eher umgekehrt, wenn die Bezahlung stimmt,“ schmunzelt Wim und knufft Elke in die Seite. „Nein, nein, lass sie mal schön ihre eigenen Wege gehen. Ich bin jederzeit für sie da, sei es mit Ratschlägen oder tatkräftiger Unterstützung, aber sonst halte ich mich raus.“ Klingt vernünftig, denn, neben Elkes größter Fan sein, hat Wim selbst noch ein bisschen was vor. „Mit über 50 und nach einer harten Zeit möchte ich meine restlichen Tage in dem Job jetzt einfach auch mal nur genießen. Denn eigentlich ist es für mich immer noch der schönste Beruf der Welt mit einem tollen Lkw, tollen Zielen und tollen Menschen.“ Außerdem ist da ja noch sein „verrücktes Hobby“, wie Elke die Ylandsche Fahrzeugsammlung so schön nennt. „Ja, es ist doch so einiges zusammengekommen mit den Jahren. Bei einem guten Angebot kann ich einfach nicht nein sagen“, meint der leidenschaftliche Sammler und präsentiert bei einem kleinen Rundgang sichtlich stolz unter anderem seinen ersten eigenen Lkw, der auch heute noch einsatzbereit und ein gern gesehener Gast auf allen holländischen Truck-Festivals ist. Wie bei seinem alten DAF versucht Wim bei der Restaurierung seiner Fahrzeuge alles in Eigenregie umzusetzen. Über drei Jahre dauerte es, bis zum Bespiel der DAF 1502 4×4, besser bekannt als Kikkertdaf, in neuem Glanz erstrahlte. „Leider werde ich wohl nicht mehr alle meine alten Schätze restauriert bekommen. Dazu müsste ich über Hundert werden. Aber vielleicht findet sich ja jemand, der das später mal übernehmen will“, erklärt er und schaut hoffnungsvoll zu Elke. Die rollt wie zur Begrüßung nur mit den Augen und lacht. Denn die Oldtimer sind bisher überhaupt nicht ihr Ding. Aber wer weiß, das kann sich ja noch ändern.

Fotos & Text: Sandra Moser

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